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Im Krökelparadies / Bericht im Schädelspalter

Tischfußball in der Krökelbar im Helmkehof

Bericht aus dem Schädelspalter 10/2015

Im Krökel-Paradies

Die Krökel-Bar im Helmkehof gibt es bereits seit 2009. Doch nun öffnet sich das Zentrum für Tischfußball ganz bewusst der Öffentlichkeit. Eine Bar, die nicht nur zum Krökeln einlädt, sondern auch zum Verweilen bei einem Kaltgetränk in entspannter Loft-Atmosphäre.Text: Linus Zwack, Fotos: Markus Lampe/leinebrandung

Gibt es Menschen, die noch nie gekrökelt haben? Die nicht irgendwann einmal in ihrem Leben dem Versuch erlegen sind mit den vier Stangen eines unförmigen Kastens gleichzeitig zu hantieren? Die den Ball durch die Öffnung in der Mitte auf das Spielfeld rollen lassen – in der Hoffnung, der Ball würde vor einem der Füße der an der Stange gereihten fünf Mittelfeldspieler landen. Die dann das Spielobjekt locker mit einem „Obersteiger“ auf einen der drei Stürmer durchstecken. Der wiederum nicht lange fackelt. Und mit einem trockenen Spannstoß das Runde im Eckigen platziert. „Das sieht man genau bei Einsteigern nach ein, zwei Spielen, wer beim Tischfußball Feuer fängt. Und dann von dem Spiel nicht wieder loskommt“, sag tJan-Christoph Michalik, Abteilungsleiter Tischfußball bei Hannover 96.

Eigentlich müsste Krökeln, offiziell: Tischfußball, ein Volkssport sein – so wie Dart oder Billard. Ist er aber nicht. „Tischfußball ist es noch nicht gelungen, sich groß zu vermarkten. Bislang spielen wir leider immer noch unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung“, sagt Michalik.  Doch das könnte sich bald ändern. Zumindest in der Tischfußball-Hochburg Hannover. In der ehemaligen Gummiwaren-Fabrik Gustav Wellmann und jetzigem Kulturzentrum Helmkehof geht die Krökel-Bar neue Wege. Diese besteht zwar schon seit 2009, doch nun wollen die Betreiber und die angedockte Tisch-Fußballsparte von Hannover 96 sich ganz bewusst nach außen öffnen. „Wir wollen mit dieser Bar den Tischfußball, den viele kennen und lieben, noch mehr für Hobbyspieler zugänglich machen“, erklärt Peter Käning, zusammen mit Frank Dörrie einer der beiden Betreiber der Krökel-Bar. Der Name ist dabei bewusst gewählt. Schließlich ist der Begriff Krökeln nur in Hannover geläufig. Als einen Krökel bezeichnet man im Hannöverschen eine Eisenstange. Im Rest des Landes nennt sich der Sport Tischfußball oder „Kickern“. Mit der Bar im shabby-schicken Loft-Flair soll Interessenten nun die Furcht vor dem Besuch eines Randgruppen-Refugiums genommen werden. „Ob Profis, Amateure oder blutige Anfänger. Ob mit Freunden oder als Betriebsportgemeinschaft; Alle sind willkommen“, erklärt Michalik.
Wer wie beim Tag der offenen Tür des Helmkehofs unvermittelt in die Krökel-Bar eintritt, hat auch nicht den Eindruck hier Profis in einem Bundesleistungszentrum (das die Krökel-Bar tatsächlich auch ist) beim Training zu stören. Abgetrennt von den Räumen mit den zwölf schön designten Kickertischen lädt ein Barbereich mit Palmen, Couchgarnitur und TV-Monitoren zum Verweilen ein. Im Hintergrund tönt dazu ein entspannender Klangtapetenmix aus dem Klacken der Tischfußbälle und Lounge-Musik. „Natürlich sind auch die willkommen, die nur ein Bier nehmen und dabei den Könnern beim Training zuschauen wollen“, sagt Dörrie. Gut möglich, dass zu den Öffnungszeiten auch einer der aktuell sechs Nationalspieler der Sparte mitkrökelt. Und einige Tipps gibt und Tricks erklärt. Etwa den PullShot. Oder den Jet, wobei mit dem Unterarm der Schuss mit viel Effet „abgerollt“ wird. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit zeigt ein Könner am Nebentisch, dass auch Fallrückzieher im Tischfußball möglich (aber nicht erlaubt) sind. Allerdings geht dies nur beim Torwart. Dabei klemmt der Spieler den Ball zwischen Rückwand und Torwart ein, balanciert ihn auf dem Fuß des Torwarts, dreht die Kurbel langsam hoch. Und versenkt den Ball mit Bogenlampe im gegnerischen Tor. 40 Seiten stark ist das Regelwerk beim Tischfußball. Wild kurbeln ist natürlich verboten. Und den Ball beim Passen anzuhalten auch. Er muss ständig in Bewegung sein. Was die Profis mit famosem Geschick beherrschen. Diesen Bewegungsstudien beizuwohnen ist allein schon den Besuch der Krökel-Bar wert. Wer selber kicken möchte, ist mit 3 Euro Tagesgeld dabei. Und findet vielleicht hier seine Berufung zu Höherem.

Spartenleiter Jan-Christoph Michalik ist beim Krökeln im Studentenwohnheim auf den Geschmack gekommen. Ein Leben ohne Krökeln ist für ihn unvorstellbar. Vorteil: Tischfußball ist ein Sport mit geringer Verletzungsquote, der sich noch im hohen Alter ausüben lässt. ,,In unserem Verein reicht die Alterspanne von 14-63 Jahren“, sagt Michalik. 70 Mitglieder hat die Fußballsparte von Hannover 96. Hervorgegangen ist der Verein aus der Krökelgemeinschaft Badenstedt (kurz KGB), die siebenmal die deutsche Meisterschaft gewonnen hat und den Hannoverkickern. Mit viel Stolz erklärt Michalik die Unterschiede der zwölf Tische der Krökel-Bar. „Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern. Dieser kommt aus Italien und kostet 3.600 Euro. Normal sind 1.400 für einen hochwertigen Kickertisch.“ Und weiter: „Du hast bei den Tischen quasi keinen Wertverlust, was kaputt gehen kann, sind höchstens die Figuren. Die Stangen etwa sind bis zu 80 Kilogramm belastbar.“ Und dann lässt Michalik die Kugel auf das Spielfeld rollen, spielt den Ball im Mittelfeld hin und her, steckt das Spielgerät zwischen der gegnerischen Fünfer-Kette zum Mittel-Kneipensport Stürmer. Der legt sich den Ball nach links und versenkt das Ding mit trockenem Schuss aus dem Handgelenk im rechten Eck. „Erste Sahne“, ruft ein Vereinskollege vom Nebentisch. Eines haben die Krökler von Hannover 96 ihre berühmten Kollegen aus der Fußball-Sparte voraus: Das Zusehen bei ihrem Spore mir viel Ballbesitz und schnellen Kontern macht richtig Spaß.

Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 18-22 Uhr,
jeden 1. und 3. Freitag im Monat, 20 Uhr,
Spaßturnier für jedermann;
16.10., Hobby·Kickermeisterschaft;
www.krökelbar.de

Schon 2010 gab es ein Interview mit den Spielern in der Krökelbar. Lauscht diesem Kickerfundstück aus dem Bundesleistungszentrum für Tischfußball an dieser Stelle -> Podcast